So gelingt Autofahrern der Radwechsel in Eigenregie

Stuttgart – Wer die Sommerräder aus dem Winterschlaf holt, kann sie mit ein bisschen Übung in etwa 20 bis 30 Minuten in Eigenregie ans Auto bringen. Was dafür nötig ist und wie es genau geht, erklärt Technikexperte Marcel Mühlich vom Auto Club Europa (ACE).

Welches Werkzeug brauche ich?

Marcel Mühlich: Für den Notfall gibt es an Bord des Autos meist Wagenheber und Werkzeug. Das kann man verwenden, nutzt aber besser noch einen Unterstellbock zum Sichern gegen Abrutschen. Wenn man regelmäßig alle vier Räder wechseln will, wären ein hydraulischer Rangierwagenheber und ein gutes Radkreuz komfortabler. Als Radbefestigung dienen je nach Automodell entweder Radschrauben oder Radmuttern. Ideal wäre ein Drehmomentschlüssel, um sie korrekt anzuziehen. Wenn man den nicht hat, sollte das eine Werkstatt überprüfen.

Die richtigen Drehmomente findet man wo?

Marcel Mühlich: Manchmal sind die in der Betriebsanleitung des Fahrzeugs angegeben, ansonsten sollte man in der Werkstatt nachfragen. Oft sind die unterschiedlich bei Alu- und Stahlfelgen.

Wo wechsle ich die Räder am besten?

Mühlich: Nicht direkt am Straßenrand. Das ist gefährlich, wenn andere mit ihren Fahrzeugen vorbeifahren und vielleicht nicht damit rechnen, dass da jemand in der Hocke ist. Und dann sollte es auf jeden Fall ein ebenes Gelände sein. Keinesfalls am Hang, weil die Gefahr besteht, dass das Auto abrutscht und kippt.

Muss ich vorher die Räder auswuchten lassen?

Mühlich: Das ist normalerweise nicht nötig, wenn man von Winter- auf Sommerräder umstecken will. Sondern nur etwa, wenn man neue Reifen auf die Felgen bekommt. Jeder Reifen hat eine kleine Unwucht, die durch Gegengewichte an der Felge ausgeglichen wird. Man sollte aber prüfen, ob keines dieser kleinen Auswuchtgewichte fehlt, vielleicht nach einem Bordsteinkontakt der Felge abgefallen ist. Man sieht, wo die angebracht waren und ob da was fehlt.

Dann muss das Rad doch neu ausgewuchtet werden – immer ein Fall für die Werkstatt?

Mühlich: Das kann niemand zu Hause machen. Auch das Aufziehen neuer Reifen nicht, da braucht man eine Reifenmontiermaschine.

Die Werkzeuge liegen parat, ich kann loslegen – wie?

Mühlich: Als Erstes ziehe ich die Feststellbremse an und lege den ersten Gang ein, damit das Fahrzeug gegen Wegrollen gesichert ist. Anschließend muss ich, sofern vorhanden, die Radzierblenden entfernen und löse mit dem Radkreuz die Muttern an allen Rädern an, bevor ich das Auto anhebe. Ich löse sie nur so weit, bis ich merke, sie bewegen sich – das genügt.

Ich mühe mich nach Kräften, aber was tun, wenn eine Mutter oder Schraube widerspenstig ist?

Mühlich: Nicht mit dem Fuß aufs Radkreuz stemmen, denn beim Abrutschen könnte man sich verletzen. Lieber eine Hebelwirkung nutzen, indem ich etwa einen Teil einer Abschleppstange oder Ähnliches über einen Arm des Kreuzes ziehen. Ich könnte bei verrosteten Muttern einen Rostlöser nutzen. Aber danach muss man sie gut mit Waschbenzin oder Spiritus reinigen und trocknen. Besonders schwergängige oder beschädigte Schraubenmuttern sollte ich aber nicht wiederverwenden – die sind nicht teuer, lieber neue kaufen.

Dann geht es ans Hochbocken. Was ist zu beachten?

Mühlich: Nicht irgendwo anheben, sondern wirklich nur an den gekennzeichneten Stellen. Da sind meistens kleine Pfeile angebracht, oder man schlägt in der Betriebsanleitung des Fahrzeugs nach. Jede Ecke hebt man für den jeweiligen Radtausch nacheinander an.

Sobald das Rad in der Luft ist, kann ich die Muttern dann ganz abdrehen und das Rad wechseln?

Mühlich: Ja, aber beachten, dass beim Wechsel von Stahl- auf Alufelgen in manchen Fällen andere Radmuttern nötig sind. Diese unbedingt verwenden. Es kann ansonsten durch die unterschiedlichen Materialhärten zu Schäden kommen, oder die Auflageflächen sind anders, manchmal konisch, manchmal flach. Finger weg bei der Montage von Öl oder Kupferpaste. Manche denken, Schrauben würden sich so später einfacher lösen lassen. Immer trocken montieren, sonst können sie sich später von selber lösen. Das bessere Profil kommt immer auf die Hinterachse. Wenn ein Pfeil auf den Reifen eine Laufrichtung vorgibt, muss das Rad auch entsprechend montiert werden.

Wie kriege ich die Räder dann wieder fest?

Mühlich: Solange die Ecke hochgebockt ist, stecke ich das Rad auf die Nabe und drehe die Schrauben mit der Hand ein paar Umdrehungen leicht fest. Niemals mit dem Werkzeug, bei schräg angesetzten Schrauben könnte ich das Gewinde beschädigen. Dann lege ich mit dem Radkreuz die jeweils gegenüberliegenden Radmuttern an, das heißt: Ich ziehe sie nur so fest an, dass sie die Felge leicht berühren, ziehe dann alles handfest an und senke das Fahrzeug zu Boden.

Und mit Schmackes ziehe ich die Räder dann dort mit dem Drehmomentschlüssel an?

Mühlich: Genau, das richtige Moment stellt man vorher ein, der Schlüssel macht dann ein Knackgeräusch, wenn es erreicht ist. So arbeitet man sich dann am besten zwei Mal um das Auto herum, um sicher zu sein, dass alle Muttern oder Radschrauben fest sind.

Und ohne Drehmomentschlüssel?

Mühlich: Das ist leider schwer einzuschätzen. Daher sollte man lieber in einen Drehmomentschlüssel investieren, wenn man hier keine Erfahrung hat. Keinesfalls mit einer Verlängerung anziehen – nur ein Radkreuz oder das Bordwerkzeug benutzen und kräftig von Hand anziehen.

Geschafft, nun kann der Frühling kommen – oder fehlt noch was?

Mühlich: Nicht vergessen, den Drehmomentschlüssel wieder zu entspannen und ihn auf null stellen. Wenn nicht, kann er ausleiern. Und zur Sicherheit sollte man nach etwa 50 Kilometern noch mal prüfen, dass die Muttern noch das richtige Drehmoment haben. Bei der Montage könnten beispielsweise Rost oder Schmutz zwischen Felgen und Radnaben gekommen sein, oder es hat sich etwas verkantet. Dann können sich die Radmuttern lösen und somit auch das Rad.

Fotocredits: Bodo Marks
(dpa/tmn)

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