Die Rückkehr eines Weltmeisters

Gäbe es etwas dem Artenschutz Vergleichbares auch für Autos, die Limousine wäre ein Kandidat dafür. Eine langsam aussterbende Gattung, die bis zum Aufkommen der Steilheck-Kompaktwagen vom Schlage des Golf als Inbegriff von Auto galt. Immer mehr Hersteller sortieren diese klassische Karosserieform aus: Nissan, Citroën und Mitsubishi haben inzwischen keine Limousinen mehr im Angebot. Da ist es schon bemerkenswert, wenn quasi aus der Versenkung wieder eine Limousine wie der Toyota Camry ins Programm genommen wird. Der Motor-Informations-Dienst (mid) hat den neuen alten Bekannten im Alltag getestet.

Die Mittelklasse-Modellreihe existiert bei Toyota schon seit 1982. Weltweit ist der Camry – im Gegensatz zu Deutschland, wo er ab 2004 nicht mehr angeboten wurde – ein echtes Erfolgsauto. In den USA führte er mehrere Jahre lang die Gesamtzulassungsstatistik an. Weltweit liefert Toyota jährlich 700.000 Camrys an Kunden aus. Keine andere Limousine kommt auf eine vergleichbare Stückzahl.

Dass es Toyota nach 15 Jahren Markt-Abstinenz noch einmal mit diesem Modell in Europa versucht, hat einen simplen Hintergrund: den Antrieb. Der Camry ist nicht nur ausschließlich als Limousine, sondern ebenso ausschließlich nur als Hybrid erhältlich. Das ist gut für den Flottenverbrauch, der mit jedem Hybridmodell weiter gesenkt wird, es macht den Camry aber auch mangels echter Alternativen für Kunden interessant. Ja, es gibt bei VW den Passat GTE, wer sucht, findet auch einen Mondeo Hybrid und etwas weiter oben haben auch BMW, Daimler und Volvo Teilzeitstromer im Angebot. Dabei geht der Trend bei den Europäern, die diese Technologie erst spät in Angriff genommen haben, eindeutig in Richtung Plug-in-Hybride, die eine rein elektrische Reichweite von mehr als 50 Kilometern liefern und deshalb als Elektrofahrzeuge in der Anschaffung gefördert werden. In aller Regel sind sie schwerer und teurer.

Beim Camry wird der Strom ausschließlich im Fahrzeug erzeugt, hauptsächlich als Abfall-Energie beim Bremsen und Ausrollen. Die Batterie kann bei diesem Hybrid-Konzept vergleichsweise klein gehalten werden. Im Camry passt der Nickel-Metallhydrid-Akku mit einer Kapazität von 6,5 Amperestunden unter die Rücksitze. Das ermöglicht in der Fernost-Limousine einen Kofferraum von 564 Litern Stauraum. Ein weiterer Vorzug: Die Bequemlichkeit – man muss sich nicht mit Aufladen und Verkabeln beschäftigen. Die Quote derer, die ein Plug-in-Fahrzeug besitzen, den elektrischen Teil aber ungenutzt lassen, ist relativ hoch, wie Erfahrungen beispielsweise in den Niederlanden zeigen. Die Spar-Euphorie und der Bereitschaft zum Andocken an eine Ladestation schwindet schon bald nach der subventionierten Auto-Anschaffung.

Sogenannte Vollhybride wie der Camry sind von der Ladeinfrastruktur unabhängig, was umgekehrt bedeutet, dass diese Fahrzeuge ihr Sparpotenzial immer abrufen können. Die rein elektrische Reichweite spielt keine Rolle, die elektrische Unterstützung dagegen eine zentrale. Toyota spricht davon, dass bis zu "50 Prozent des täglichen Mobilitätsbedarfs" im Elektromodus bewältigt werden können. Relevant für Nutzer ist vor allem die Kraftstoffrechnung. Und die überzeugt: Nach mehr als 1.500 Kilometern Fahrstrecke mit etwa 60 Prozent Autobahnanteil ergab sich ein vom Bordcomputer ermittelter Durchschnittserbrauch von 5,4 Litern. Das ist zwar gut ein Liter mehr als der Hersteller angibt, aber immer noch ein Wert, den nicht jeder Diesel dieser Größe erreicht.

Denn mit 4,89 Metern Länge bietet der Camry Platzverhältnisse, die oberste Mittelklasse sind.
Für die Fortbewegung stehen als Systemleistung des Hybridstranges 160 kW/218 PS bereit, von denen der 2,5 Liter große Vierzylinder 177 PS beisteuert.

Im Betrieb überzeugt der Camry als kultivierter Gleiter. So glatt und geschliffen, wie er optisch daherkommt, fährt er sich auch. Unaufgeregt, zuverlässig, wobei weder die wechselnden Antriebsmodi noch Lenkeinflüsse zu spüren sind. Von den drei verfügbaren Fahrprogrammen (Eco, Normal, Sport) erfüllte "Normal" unsere Erwartungen eindeutig am besten. Die in "Sport" realisierten Reserven fallen ziemlich übersichtlich aus, die Simulation von Schaltvorgängen des Planetengetriebes funktioniert, ohne dass dieses Kunststück fasziniert. Wer es sportlich mag und braucht, kauft sich besser ein anderes Fahrzeu, als diese großzügig geschnittene, technisch anspruchsvolle und klar auf Komfort orientierte Limousine aus Japan.

Deren Stil ist präsent ohne Anflüge von Aufdringlichkeit, wobei der Funktionalität absolute Priorität eingeräumt wird und Digitalisierung nicht um ihrer selbst willen eingesetzt wird. Um Käufer für diese Art der Fortbewegung zu gewinnen, greift Toyota auf das Erfolgsrezept der Anfangsjahre zurück: Vollausstattung zu einem fairen Preis. Die Preisliste besteht aus drei Positionen – wo gibt es derartiges heute noch? Die Business Edition, die bereits elektrisch verstellbare, beheizte Ledersitze, eine aktive Abstandsautomatik, Rückfahrkamera und alle gängigen Sicherheitsassistenten beinhaltet, kostet 39.990 Euro. Daraus werden 42.390 Euro, wenn Navigation, zum Spurhalter auch der Lenkassistent, LED-Licht rundum, 18-Zoll-Räder, Rückfahrassistent und Tote-Winkel-Warner kommen sollen.

Wo Toyota eine beträchtliche Quote des Camry absetzen will, lässt sich aus der dritten Rubrik der Preisliste erkennen: Ein Taxi-Zubehörpaket gibt es für 1.773,10 Euro (brutto).

Solveig Grewe / mid

Technische Daten Toyota Camry Hybrid:
– Länge/Breite/Höhe: 4,88/1,84/1,44 Meter
– Antrieb: Vierzylinder Benziner plus E-Motor
– Hubraum: 2.487 ccm
– Systemleistung: 160 kW /218 PS
– max. Drehmoment: 221 Nm bei 3.600 – 5.200 U/min
– Hybridbatterie: Nickel-Metallhydrid
– Spitze: 180 km/h
– Beschleunigung 0 – 100 km/h: 8,3 Sekunden
– Abgasnorm: Euro 6d-Temp
– Verbrauch (NEFZ): 4,4 Liter/100 km
– CO2-Emission: 127 g/km
– Preis: ab 39.990 Euro

Fotocredits: Toyota
Quelle: GLP mid

(dpa)